Porsche 930 Turbo 3.0

Als einer der letzten Großserienhersteller von Sportwagen verbannte Porsche zum Modelljahr 2017 den Saugmotor fast vollständig aus der Modellpalette. Es ist eine Entwicklung die sich durch die gesamte Automobilbranche zieht. Erzwungen durch strenge Emissions- und Verbrauchsvorgaben wird der reinrassige Sauger im Sportwagen so zur Seltenheit. Dabei ist es eine ambivalente Beziehung zum Turbolader. Der Verstand argumentiert für die Technologie mit mehr Leistungsausbeute und linearerer Kraftverteilung bei zeitgleicher Steigerung der Kraftstoffeffizienz, das Herz jedoch dagegen mit verlorener automobiler Seele bei einer Technik der das charmant Unperfekte fehlt. Egal wie sehr sich die Sound-Designer der Automobilproduzenten bemühen diesen Makel durch ein schepperndes ,Backfire’ zu beheben, es wirkt stets als würde der moderne Turbomotor Fehlzündungen von sich geben weil er soll, nicht weil er es muss.

Doch es war nicht immer so mit den Turbos. 

Heckansicht des 930 Turbo 3.0 mit dem charakteristischen Whaletail.

Der 930 Turbo 3.0 ist ein relict aus den frühen Tagen des Turboladers, einer Zeit in der diese Technologie noch in den Kinderschuhen steckte und just den Weg von den Rennstrecken der Welt in die Autos der Kunden bewältigt hatte. Als Porsche 1974 den 930 Turbo 3.0 auf dem Pariser Autosalon präsentierte war dies der erste Seriensportwagen und das zweite Serienfahrzeug überhaupt mit einem Abgasturbolader. Lediglich der 1972er BMW 2002 turbo kam dem 930 Turbo 3.0 zuvor.

Eng anliegende Turbo-Sportsitze halten den Fahrer auch in schnellen Kurven fest im Griff.

Es ist bereits die Anmutung des Fahrzeuges, die einen ahnen lässt, dass man es hier nicht mit dem freundlichen 911 zu tun hat den man aus den sechziger Jahren kennt. Die weit ausgestellten Kotflügel bilden zusammen mit dem großen Heckflügel eine Einheit die einen auch nach 40 Jahren noch ins Staunen versetzt. Öffnet man die Fahrertür, so blickt man sofort auf die Sportsitze mit den wuchtigen Seitenwangen. Sie wirken, für den ansonsten recht kleinen Innenraum des 911, ungewöhnlich massig, versprechen jedoch schon beim bloßen Hinsehen fesselnden Seitenhalt in jeder Kurve. Sobald man einmal Platz genommen hat will man nicht mehr aufstehen.

Der Motor hustet beim Umdrehen des Zündschlüssels. Es ist ein heller und mechanischer Sound, deutlich leiser als man es bei den meisten Saugern der 911 Reihe gewöhnt ist. Die ersten Meter im 930 Turbo 3.0 sind aufregend, die Erwartungen die man an das Fahrerlebnis stellt sind durch die aggressive Optik des Gefährts jedoch sehr hoch und so wirken die ersten Minuten ernüchternd. Unterhalb der 3.500 Touren fährt sich der Turbo 3.0 zahm und in Kombination mit dem leisen Motorgeräusch fast ein bisschen langweilig. Dieser Eindruck verfliegt jedoch rasant sobald man etwas mehr Gas gibt und sich der Drehzahlmesser in Bereiche jenseits der 4.000 Umdrehungen hebt. Es dominiert ein nun deutlich lauterer und röhrender Klang des Aggregats im Rücken überlagert von einem hellen Pfeifen des Turboladers — der Wagen springt nach vorne. Schon nach wenigen Augenblicken erreicht der Motor 6.800 Touren und man muss hochschalten. Hier entfaltet der 930 Turbo 3.0 sein ganzes Potential. Der Punkt an dem der Ladedruck einsetzt ist so abrupt und trennscharf, dass es ein paar Kurven bedarf um sich spielerisch an das Leistungspotential des Wagens heranzutasten bevor man mit ihm wirklich schnell fahren kann.

Das 3.0 Liter Aggregat: Sechszylinder Boxermotor mit Abgasturbolader. Leistung: 260PS.

Es ist ein Fahrzeug, dass seinen Fahrer fordert und in jeder Situation die vollste Aufmerksamkeit bedarf. In modernen Fahrzeugen häufig kaum wahrgenommene Aspekte wie Reifentemperatur, Beschaffenheit des Untergrunds, Wetterverhältnisse und die daraus resultierende Traktion rücken nun wieder in den Fokus des Piloten — das ist Purismus. Hebt man nach der Beschleunigungsorgie in den Gängen zwei bis drei den Fuß vom Gas hört man bellende Fehlzündungen, das Lächeln auf den Lippen lässt sich kaum verkneifen.

So aufregend kann Turbo sein.

Der Turbo 3.0 beschleunigt in nur 5,5 Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo. Bei 250 km/h ist Schluss.

Der von uns gefahrene 930 Turbo 3.0 im speziellen ist ein Fahrzeug aus dem Modelljahr 1976 original mit nur etwas über 40.000 Meilen auf der Uhr. Es ist eines der äußerst seltenen Exemplare in der Sonderfarbe #944 Platinium Diamant Metallic. Diese Farbe war ursprünglich für das auf 200 Einheiten limitierte 1976er Sondermodell ,,Signature 911S’’ kreiert worden und war auf anderen Fahrzeugen der Porsche-Modellpalette nur auf Sonderwunsch bestellbar. Zu dem platinfarbenen Exterieur wurde das Interieur stimmig in einem beigen Vollleder gewählt. Auch sonst wurde dieses Fahrzeug in Volllausstattung konfiguriert. Hierzu zählt neben den Leder-Sportsitzen und der Klimaanlage auch ein vollelektrisches Schiebedach. Der verbaute dreiliter 6 Zylinder Boxermotor mit einem Abgasturbolader produziert eine Leistung von 260PS bei einem Drehmoment von 329 NM und einem Leergewicht von lediglich 1.210kg. So befeuert spurtet der 930 Turbo 3.0 in sechs Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo bis auf eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h — nicht zu vergessen, wir befinden uns im Jahr 1976.

Die Heckansicht des 930 Turbo 3.0 lockt mit spektakulären Kurven. Für die damaligen Zeit waren diese ausladenden Rundungen ein klares Statement.

Die Fahrt ist vorüber, der Motor aus, das Herz rast noch. An diesem Punkt fällt es einem schwer aus dem Fahrzeug auszusteigen, sei es weil man die Fahrt nicht wirklich enden lassen möchte oder weil die engen Sportsitze einen nicht gehen lassen wollen. Beim Griff zum Türöffner zittern die Hände noch leicht – man hat ihn bezwungen, den ersten Seriensportwagen mit Turbolader. Der 930 Turbo 3.0 zeigt eindrucksvoll wie aufregend, ungestüm und emotional die heute steril anmutende Technologie des Turboladers sein kann — wie wir es vorhin gesagt haben, es war nicht immer so mit den Turbos.