,,In der 28-jährigen Geschichte des Hauses Porsche haben schon mehrere Modelle den Namen ,,Carrera’’ getragen, und fast immer waren es entweder reine Rennautos oder zumindest betont sportliche, auf hohe Leistung gebrachte Straßenfahrzeuge.’’
Mit diesem Absatz beginnt die Beschreibung des Carrera 3.0 im Porsche Fahrzeugkatalog des Modelljahres 1976. Es ist das erste und zugleich vorletzte Modelljahr des Carrera 3.0. Schon in diesem Textbaustein wird deutlich, wie groß die Fußstapfen sind, in die diese neue Variante des Porsche 911 treten soll. Direkter Vorgänger war der 2.7 Carrera der Modelljahre 1974 und 1975 – in seinem Heck arbeitete kein geringeres Aggregat als das des legendären Carrera RS. Für viele ist dies der Elfer überhaupt und mit seinem ruppig lauten und leistungsstarken MFI 2.7 Liter Motor ist kaum ein Serienfahrzeug der Baureihe 911 emotionaler.
Doch genau dieses puristische, ruppige und laute Fahrerlebnis wurde von einem sich wandelnden Klientel für die Sportwagen aus Zuffenhausen nicht länger gewünscht. Neben der Motorleistung gerieten andere Aspekte in das Hauptaugenmerk der Kunden wie etwa die Alltagstauglichkeit, ein niedrigerer Geräuschpegel und der Komfort.
Genau diesen Spagat zwischen dem urtypisch Sportlichem, welches der Name Carrera manifestiert, und dem neuen Verlangen nach im Alltag sorglos bewegbaren Sportwagen, versuchte Porsche zum Modelljahr 1976 mit dem Carrera 3.0 gerecht zu werden.
Mit 200 PS Motorleistung ist das komplett neu entwickelte drei Liter Aggregat mit neuartigen Aluminium-Motorhälften ganze 9 PS leistungsärmer als sein legendärer Vorgänger Carrera 2.7. Dieses Manko gleicht der Carrera 3.0 jedoch dadurch aus, dass er das gleiche maximale Drehmoment beider Motorvarianten von 255 NM bereits bei 4.200 U/min erreicht und nicht wie der Carrera 2.7 erst bei 5.100 U/min. Im Katalog von 1976 wird diese Motorcharakteristik mit ,,noch bulliger und elastischer’’ beschrieben.
Mit Ausnahme des Motors sind die sonstigen Veränderungen zwischen dem Carrera 2.7 und dem neuen 3.0 eher subtil. Beide verfügen über die im Vergleich zum 911S der selben Baujahre dezent verbreiterten hinteren Kotflügel, um den 8J breiten Fuchsfelgen genug Raum zu geben. Ebenfalls sind beide Fahrzeuge ab Werk serienmäßig komplett ohne Chromdetails um die sportliche Linie weiter zu unterstreichen. Sowohl den Carrera 3.0 als auch den 2.7 gab es zudem als Coupé und als Targa. Der Carrera 3.0 wartet in Gegensatz zu seinem Vorgänger eher durch technische Innovationen auf.
Erstmalig gibt es elektrische Fensterheber, einen verstellbaren Außenspiegel auf der Fahrerseite und eine elektronische Heizungsregulierung in der Mitte der vorderen Sitze serienmäßig. Ebenfalls serienmäßig beim Carrera 3.0 war das dickere 38 cm Sportlenkrad, die Turbo-Sportsitze waren optional erhältlich und sogar eine Scheinwerferreinigungsanlage war für den Carrera 3.0 bestellbar. Zudem wurden viele Carrera 3.0 mit den 7J und 8J breiten Fuchs Schmiedefelgen in 15 Zoll und dem charakteristischen vom Turbo 3.0 abgeleiteten Whale-Tail Heckflügel konfiguriert.
Preislich lag der Carrera 3.0 im ersten Modelljahr 1976 über 10.000 DM oberhalb des 911S und schlug so mit einem Basispreis von 44.950 DM als Coupé und 46.950 DM als Targa zu buche. Dem hohen Anschaffungspreis, der sehr kurzen Bauzeit und der Tatsache, dass es den Carrera 3.0 aufgrund strengerer Abgasbestimmungen in den U.S.-Märkten nur auf dem europäischen Markt gab, ist es wohl geschuldet, dass seine Stückzahl relativ gering ausfiel. In den zwei Jahren Bauzeit entstanden so insgesamt lediglich 3.687, Coupés und Targa zusammen genommen.
Aus heutiger Sicht bietet der Carrera 3.0 also die leistungsstärkste 911 Saugmotorvariante aus den 70er Jahren, die in nur sehr geringer Stückzahl gefertigt wurde. Dies macht ihn als Sammlerfahrzeug und auch in Punkto Werterhalt besonders interessant. Dazu gesellt sich der Vorteil des als etwas robuster geltenden 930/02 Motors mit Aluminium-Motorhälften im Vergleich zu den 2.7 Liter Varianten dieser Zeit mit Magnesium-Hälften. Schlussendlich kann der Carrera 3.0 oft mit den typischen Farben der 70er Jahre aufwarten und punktet so auch mit hohem Kultfaktor.
Gründe genug, um sich tiefer mit dem Carrera 3.0 der Modelljahre 1976 und 1977 auseinander zu setzen. Hier drängt sich die wohl wichtigste Frage auf: wie fährt er sich?
Schon beim ersten umdrehen des Zündschlüssels ist seine Verwandtschaft zu den anderen Elfern mit Bosch K-Jetronic (2.7 911, 2.7 911S und 3.0 SC) unverkennbar. Erst nach kurzer Warmlaufphase pendelt sich die Drehzahl im Leerlauf auf dem normalen Niveau ein. Klanglich ist der Carrera 3.0 deutlich dumpfer als die 2.7er, jedoch heller und bissiger als die 3.0 SC. Wer hier den rotzigen Klang des Carrera 2.7 mit MFI Anlage im Lastwechselbereich erwartet, wird enttäuscht. Der Carrera 3.0 klingt sportlich aber kultivierter und erwachsener.
Die 200 PS des 3.0 Liter Motors haben mit dem geringen Fahrzeuggewicht von nur 1.120 kg wenig Mühe. Mit diesem Leergewicht ist der Carrera 3.0 ganze 45 kg schwerer als sein giftiger kleiner Bruder Carrera 2.7. Auch im Sprint aus dem Stand auf Landstraßentempo in 6,5 Sekunden und der Endgeschwindigkeit von 235 km/h liegt der Carrera 3.0 immer ein Hauch hinter dem Carrera 2.7, ruft seine Leistung aber aufgrund des früher verfügbaren maximalen Drehmoments deutlich homogener ab und verbraucht im Schnitt auch weniger Sprit (auch wenn das in diesem Zusammenhang eher eine untergeordnete Rolle spielt). Auf der Bremse überzeugen vor allem die Carrera 3.0 des letzten Modelljahres 1977, da diese bereits über einen Bremskraftverstärker verfügen. Die frühen 3.0er bedürfen wie auch die Carrera 2.7 eines etwas beherzteren Pedaldruckes durch den Fahrer.
Wer den Kauf eines Carrera 3.0 erwägt muss für seriöse Fahrzeuge in Abhängigkeit des Zustandes und der Konfiguration aktuell eine Investition zwischen 80.000€ und 120.000€ tätigen (Stand 09/2018). Damit liegt der Carrera 3.0 noch deutlich unter den Preisen des Carrera 2.7, jedoch auch deutlich über denen für ernstzunehmende 911 S oder 911 SC.
Fotos von Roman Rätzke.