Porsche 993 Carrera S

Jedes Porschemodell erzählt seine eigene Geschichte und mit der Geschichte des 993 endet eine Ära – die Ära der luftgekühlten Porsche. Nun aber der Reihe nach.

Die Geschichte des 993 in den wirtschaftlich turbulenten 90er Jahren

Die 90er waren für Porsche eine wirtschaftlich schwierige Zeit. Mehrmals stand man kurz vor dem Aus. Die Verkaufszahlen des 964 und des 928 blieben weit hinter den Erwartungen zurück, die Produktionskosten der drei völlig unabhängig voneinander hergestellten Baureihen der Vierzylinder (968), Sechszylinder (911) und Achtzylinder (928) boten keinerlei Synergien. Man leistete sich eine Modellpalette, deren Kostenstamm deutlich zu hoch war. Um die Produktionsanlagen auszulasten, wurden Lohnaufträge der Konkurrenz dankend angenommen und unter Anderem Fahrzeuge wie der Mercedes Benz 500E oder auch der Audi RS2 in Zuffenhausen gefertigt. Besonders beim RS2 ist die Artverwandtschaft zum 964 und 993 deutlich zu erkennen. Sowohl Spiegel, Blinker als auch Felgen sind original Porscheteile. Somit wurde dem 993 eine besondere Verantwortung zu Teil: Er musste nicht weniger als das Überleben der Marke sichern.

Der 993 ist der erste 911 der sich aus Gründen der Aerodynamik von den aufgestellten Scheinwerfern trennt.

Ab Herbst 1993 verlassen die ersten Porsche 993 das Werksgelände in Zuffenhausen. Bereits wie beim Vorgänger basiert das Design auf einem Entwurf des damaligen Leiters der Design-Abteilung in Weissach Harm Lagaay. Der Porsche 993 wirkt im Gegensatz zu seinem Vorgänger deutlich moderner und erwachsener: die Stoßstangen wurden harmonisch in die Karosserie integriert, das Heck breiter ohne dabei aufdringlich zu wirken. Auch technisch wurden viele Details des 964 weiterentwickelt und mündeten in einem besonders ausgereiften und zuverlässigen Sportwagen. Porsche verzichtete auf eine Preiserhöhung bei der Einführung des 993 und fror damit die Neuwagenpreise ein. Der 993 wurde zum selben Marktpreis angeboten wie der 964 und das trotz einer Vielzahl an technischen Innovationen und damit verbundenen hohen Entwicklungskosten (272 PS statt 250 PS; komplett neue Hinterachse).

Das Interieur steht klar in der Tradition des klassischen 911, es hält jedoch moderne Technik Einzug. Airbag und elektrische Sitzverstellung serienmäßig.

Der Porsche Kunde durfte damals zwischen den Karosserievarianten Coupe (125.760 DM), Cabriolet (142.620 DM) und Targa (145.000 DM) wählen. Bei seiner Einführung 1993 leistete das Herzstück des 993, der 3,6l Boxer Motor, 272 PS (200 KW). Damit ist er mehr als doppelt so stark wie der erste Sechszylinder Boxer des Jahrgangs 1963, der seine 130 PS noch aus 2 Litern schöpfte.

Neben dem ebenfalls in 1993 erstmalig in Detroit vorgestellten Boxster (Typ 986) war der 993 für Porsche das Sinnbild für Aufschwung, Arbeit und Erfolg. Zuvor beschäftigte der Konzern 8.500 Menschen, die Belegschaft schrumpfte auf nur noch 6.700 Mitarbeiter – ein Symbol der Hoffnung war mehr als nur Willkommen. Die Belegschaft, wie auch Wendelin Wiedeking, standen 1993 vor zwei Schicksalsjahren  und bangten um den Erhalt des Sportwagenherstellers.

Das 3.6 Liter Aggregat leistet in seiner zweiten Generation mit Vario-Ram Ansaugtrakt satte 286 PS.

Doch der 993 war bei seiner Vorstellung alles andere als unumstritten. Zum Design hieß es: „Einige waren ziemlich schockiert“, sagt ein Porsche-Direktor… „Das neue Gesicht schielt apokalyptisch himmelwärts wie ein plattgedrücktes Amphibium.“ Ausdruck der Stimmung im Porsche-Werk Zuffenhausen? Doch sollte der damalige Porsche Sprecher Anton Hunger letztlich recht behalten: „Nur Formen, die anfangs Spannungen erzeugen, setzen sich langfristig durch.“

Dennoch schaffte es der Konzern mit weiteren Rationalisierungen und einer nach japanischem Vorbild modernisierten Fertigung diese schwierigen Jahre zu überstehen. Nach den Werksferien 1995 wurde der 993 noch einmal modernisiert, das Serientriebwerk lieferte nun aus 3,6l 286 PS (210 KW), weiterhin wurden die Modelle Carrera 2S, 4S und das Flaggschiff 993 Turbo eingeführt. Alle drei neuen Modelle hatten die breite Turbokarosse als Basis, was die Preise des 993 Carrera 2S und 4S heute in schwindelerregende Höhen treibt. Das Tief um den Sportwagenhersteller Porsche war mittlerweile überstanden und es folgten weitere Erfolgsgeschichten, wie die gemeinsame Produktion eines Geländewagens (später Cayenne genannt) mit VW. 1997 wurde bereits der Nachfolger des 993 vorgestellt: Der 996. Der erste Wassergekühlte und völlig neuentwickelte 911er – kein einziges Teil wurde vom Vorgänger übernommen.

993 Bremssattel hinter einem 18 Zoll Turbo-Rad.

1998 endete somit in vielerlei Hinsicht eine Ära bei Porsche. So lief der letzte Luftgekühlte 911 am 31.03.1998 in Zuffenhausen vom Band und der Siegeszug der modernen Porsche wie 996, Boxster und Cayenne beginnt. Und heute? Der Siegeszug hat angehalten, doch die Begeisterung für die luftgekühlten Modelle ist ungebrochen, die Preise über Neupreisniveau. Der 993 vereint dabei das zeitgenössische Design und die ausgereifte Technik mit dem einmaligen Fahrgefühl eines luftgekühlten 911. Dies macht ihn momentan zu einem der begehrtesten „Luftis“,– zumindest abgesehen von Sondermodellen und Sportversionen wie RS, WTL, Turbo und Konsorten – Tendenz weiter steigend.

Der 993 Carrera S

Der Carrera S gehört zu jenen Versionen des Elfers die es eigentlich nie hätte geben sollen. Porsche wollte zum Modelljahr 1995 eine große Lücke in der Modellpalette schließen die zwischen dem normalen 993 mit Saugmotor und dem 993 Turbo klaffte. Die hier aufgegriffene Idee war, wie so oft, bereits in vorherigen Modellreihen des 911 erfolgreich adaptiert worden – man baute einen Werksturbolook.

Die atemberaubende Heckansicht des Carrera S – er teilt sich eine breite Karosserie mit dem Turbo, verzichtet aber auf den Heckflügel.

Man entschied sich also bei Porsche, wie schon zehn Jahre zuvor zur Einführung des WTL auf 3.2 Carrera Basis, dem Kunden einen Porsche-Turbo ohne Turbo anzubieten. Dieser neu konzipierte 993 bot also die verbreiterte Karosserie vom 993 Turbo zusammen mit der verbesserten Turbo-Bremsanlage, dem Turbo-Fahrwerk, einem Allradantrieb und auf den Heckflügel wurde verzichtet – der 993 Carrera 4S war geboren.

Der 4S  erfreute sich prompt großer Beliebtheit, war jedoch preislich hoch angesetzt und mit seinem Allradantrieb ohne Leistungssteigerung im Vergleich zu den schmalen Standardmodellen für Puristen etwas zu schwer. Porsche reagierte schnell und setzte den Carrera 4S auf Diät ohne dabei die breite Karosserie mit der stimmigen Optik zu entbehren. Man verzichtete auf den schweren Allradantrieb und die Turbo-Bremsanlage, sowie das Turbo-Fahrwerk – übrig blieb ein auf Turbo-Maße verbreiterter Carrera 2 den man fortan Carrera S nannte.

Die Armaturentafel des 993 Carrera S – hier kamen die charakteristischen fünf einzelnen Rundinstrumente zum letzten mal in einem 911 zum Einsatz.

Der Carrera S war also die in der Ausstattung reduzierte Version des Carrera 4S und ordnete sich als dieses auch preislich deutlich unterhalb an. Sowohl der Carrera 4S als auch der S liefen lediglich 2 Modelljahre lang in der Produktion. In dieser kurzen Bauzeit entstanden 7.242 Carrera 4S und nur 4.707 Carrera S von denen wiederum nur 3.343 Fahrzeuge puristisch mit der Handschaltung konfiguriert wurden. Sowohl den Carrera S als auch den 4S gab es ausschließlich in der Karosserieform Coupé, wie auch bei dem 993 Turbo wurden weder Targa noch Cabriolets angeboten.

Aus heutiger Perspektive ist aufgrund der geringeren Stückzahl deshalb das einstige Sparmodell, der Carrera S,  gegenüber dem 4S das am Markt etwas gesuchtere und teurere Modell. Ob dies aufgrund der niedrigeren Ausstattung gerechtfertigt ist sei dahingestellt.

In der sehr kurzen Bauzeit des Carrera S entstanden lediglich 4.707 Fahrzeuge.

Fahrbericht Carrera S 

Wenn man sich dem 993 Carrera S nähert begeistert eines sofort: die Form. Die breit ausgestellten Kotflügel teilt sich der Carrera S mit dem 4S und dem 993 Turbo. Ansonsten entspricht der breite 993 mit Heckantrieb dem Carrera 2 der Großserie. Antriebsseitig verrichtet der weiterentwickelte 3.6 Liter Sechszylinder Boxermotor der zweiten 993 Generation seine Arbeit im Heck des Wagens und leistet dabei 286 PS. Weiterentwickelt wurde dieser Motor, im Vergleich zu den frühen 993s, durch einen neuartigen Ansaugtrakt mit variablem Querschnitt names Vario-Ram. Dieses System hielt zum Modelljahr 1996 gemeinsam mit dem Carrera S Einzug in die Modellpalette und steigerte die Motorleistung von 272 PS auf die besagten 286 PS.

Der Carrera S ist mit einem Leergewicht von 1.400 kg ganze 50 kg leichter als sein allradangetriebener Bruder. In den Fahrleistungen sind sowohl der S als auch 4S identisch: 5,3 Sekunden aus dem Stand auf Landstraßentempo und eine Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h. Diese liegt 5 km/h unterhalb der 993s ohne verbreiterte Karosserie was auf die bessere Aerodynamik dank schlankerer Karosse zurückzuführen ist.

Neben dem schönen Äußeren lässt der Carrera S auch fahrdynamisch kaum Wünsche offen.  Sowohl am Fuß als auch an der Lenkung gibt es gefühlsmäßig wenig was man am Carrera S verbessern wollen würde und er erfüllt auch noch nach 20 Jahren alle Anforderungen die man an einem modernen handgeschalteten Sportwagen stellen möchte.

Das technische Defizit der kleineren Bremsen und des nicht verbauten Sportfahrwerkes im Vergleich zum 4S ist leicht spürbar, jedoch entschuldigt der 2S hier durch puristisches Handling eines heckgetriebenen Sportwagens. Ob man sich nun also für einen Carrera S oder den 4S entscheiden sollte liegt ganz im Auge und vor allem Fuße des Betrachters.

Der 1.400 kg schwere Carrera S beschleunigt in 5,3 Sekunden von 0 auf 100, bei 270 km/h ist Schluss – alles in allem Fahrleistungen die sich auch nach zwei Jahrzehnten noch sehen lassen können.

Porsche 993 Carrera S AssmanFotos von Roman Rätzke.