Alle guten Geschichten beginnen in einer alten Garage… 

Es ist der Traum eines jeden Oldtimerenthusiasten einmal im Leben einen echten Barnfind aufzuspüren. Die Möglichkeit etwas Unberührtes und lang verschollen Geglaubtes wieder zum Leben zu erwecken. Eine Zeitkapsel behutsam zu öffnen, die es erlaubt in die Vergangenheit einzutauchen um dann im Anschluss dem Auto durch den spannenden Prozess einer Restaurierung neues Leben einzuhauchen.

Im Jahr 2019 befinden wir uns ein einer digitalen und eng vernetzten Welt. Es scheint als sei diese bereits bis in die letzte Ecke der Zivilisation ausgeleuchtet. In dieser Zeit noch einen echten automobilen Schatz zu heben grenzt fast an ein Wunder – oder bedarf zumindest einer gehörigen Portion Glück.

Wer nicht darauf hoffen möchte, dass eines Tages der Barnfind ihn findet kann jedoch seinem Glück etwas auf die Sprünge helfen und sich an Experten wenden. So auch unser Kunde für den wir diesen 1959er 356 B T5 Roadster aufgespürt haben.

Ein 1959er 356 B T5 Roadster in fast unberührtem Zustand – stillgelegt seit 1969.

Der 356 Roadster im Bild wurde im Jahr 1959 produziert für einen amerikanischen Käufer. In der Historie dieses Wagens finden sich einige Hinweise auf eine sogenannte Tourist Delivery, wie etwa ein alter Straßenatlas samt Händlerverzeichnis von Sonauto, dem damaligen französischen Generalimporteur für Porsche. Bei einer Tourist Delivery wurde dem Käufer aus Übersee die Möglichkeit eröffnet seinen Porsche im Stuttgarter Werk abzuholen um ihn dann ausgiebig in Deutschland und Europa zu testen. Im Anschluss an die Urlaubsfahrt wurde der mittlerweile gut eingefahrene Porsche wieder im Werk abgegeben und verschifft um später dem Kunden beim heimischen Porschehändler endgültig übergeben zu werden.

Nur zu romantisch ist heute die Vorstellung wie es gewesen sein muss Ende der 50er Jahre einen fabrikneuen 356 Roadster von Stuttgart aus in den Frankreichurlaub zu steuern. Konkrete Bestätigungen und Belege gibt es nach über einem halben Jahrhundert keiner mehr, aber das Kartenmaterial aus Frankreich und Italien samt der Händlerverzeichnisse der Porsche und VW Servicepartner als Teil der reichhaltigen Dokumentation dieses Roadsters regen herrlich die Fantasie an.

Der Originallack in Elfenbein ist über die Jahre rissig geworden. Eine authentische Patina die so nur die Zeit hervorbringen kann. Zu groß ist die Verlockung diese zu erhalten, die Idee den Wagen vollständig restauriert zu altem Glanz zu verhelfen ist jedoch ebenfalls reizvoll. Eine Entscheidung die wohl in die Kategorie der Luxusprobleme fällt.

Sicher ist, dass der 59er Roadster schließlich seinen Weg in die USA, genauer in den Süden von Kalifornien fand, wo auch viele weitere Varianten wie der 356 C vertreten waren. Dort war der B T5 zehn Jahre lang bis 1969 in San Jose angemeldet, danach verschwand der Wagen ohne Zulassung in einer Garage. Erst im Jahr 2014 wurde der Roadster, immer noch in San Jose, wieder aufgespürt. Der nächste Besitzer plante bereits die Restaurierung und besorgte einige Ersatzteile, tatsächlich anzufangen den 356 zu restaurieren traute sich dieser jedoch nicht. Vier Jahre später übernahmen wir schließlich den Wagen der sich bis dato immer noch in einem herrlich unberührten Zustand zeigte. Lediglich einzelne Teile hatte der letzte Besitzer zum Zwecke der geplanten Restaurierung bereits demontiert.

Matching: immer noch befindet ich der originale 1600er Motor im Heck des Roadsters. Er leistet 60 PS und beschleunigt so den 870 kg schweren Roadster auf stolze 160 km/h.

Einschub: Porsche 356 B Roadster

Der 356 B T5 Roadster ist direkter Erbe des auf dem 356 A basierendem Convertible D. Das Convertible D wurde zum Modelljahr 1958 hin in die Porsche-Modellpalette aufgenommen und war eine Reaktion auf die sinkenden Absatzzahlen des heute legendären 356 Speedsters. Merkmale des Kassengestells Speedsters waren seinerzeit sportliche Schalensitze, keine festen Seitenscheiben und ein eher notdürftiges Verdeck. Der Kunde verlangte Ende der 50er Jahre jedoch nach mehr Komfort, worauf Porsche mit dem Convertible D reagierte. Dieses verfügte, im Vergleich zum puristischen Speedster, zwar immer noch über eine schicke chromumrandete und leicht abgeflachte Frontscheibe, jedoch darüber hinaus ebenfalls über einige komfortable Neuerungen wie gepolsterte Sitze, feststehende Kurbelfenster, ein richtiges Verdeck mit größerer Heckscheibe und eine leicht erhöhte Frontscheibe. Das Convertible D verdankt seinen Namen den Drauz Werken in Heilbronn. Dort wurden die Karosserien der 1.331 Exemplare des Convertible D hergestellt.

Mit der Modellpflege vom 356 A auf den 356 B zum Herbst 1959 änderte sich ein wenig die Nomenklatur der offenen 356 mit Chromfrontscheibe. Fortan hörten diese Modelle auf den Namen Roadster. Auf 356 B T5 Basis entstanden 560 Fahrzeuge, ein Jahr später auf Basis des 356 B T6 sogar nur noch 258 Stück. Jene späten Exemplare der letzten Serie, mit doppeltem Grill auf der Heckklappe, sind heute als sogenannte Twin Grill Roadster in der Szene besonders gesucht, Ihre Stückzahl liegt aber deutlich unter 100 Fahrzeugen. Wie auch das Convertible D wurden die 356 Roadster bei Drauz in Heilbronn karosseriert. Mit sinkender Nachfrage von Sonderkarosserien und immer enger getakteten Fertigungsabläufen in der Automobilbranche ereilte schließlich die Firma Drauz das selbe Schicksal wie viele andere Karosseriebetriebe. 1965 wurde Drauz schließlich von NSU gekauft, NSU wiederum fusionierte 1969 mit Auto Union zur noch heute existierenden Audi AG.

Eine Werksskizze des 356 Convertible D auf Basis des 356 A. Dieses Fahrzeug ergänzte den legendären 356 Speedster mit reichhaltigerer Ausstattung und war der direkte Vorgänger unseres 356 B T5 Roadsters.

Noch mehr als das Convertible D führt der 356 Roadster noch heute ein Leben als Underdog. Im Schatten des legendären Speedsters hinken die Roadster als nachfolgende Luxusvariante wertmäßig immer noch hinterher. Gemessen an den optischen Alleinstellungsmerkmalen und den Stückzahlen ist diese Bewertung völlig zu unrecht. So stehen 2.910 gebauten Speedstern lediglich 1.331 Convertible D, 560 356 B T5 und verschwindend geringe 258 356 B T6 Roadster entgegen.

Mit dem Modellwechsel auf den 356 C kam die Tradition von offenen 356 mit chromumrandeter Frontscheibe zum erliegen und es wurde lediglich das Cabriolet mit in Wagenfarbe lackierten Scheibenrahmen angeboten. Einen 356 C Roadster gab es nie.

Der originale Drehzahlmesser: seit nunmehr 50 Jahren steht die Nadel still. Dem Moment an dem sie zum ersten mal wieder zucken wird fiebern wir schon gebannt entgegen.

Der Entschluss ist gefallen, unser 356 B T5 Roadster wird vollrestauriert um dann in seinem zweiten Leben mehr Kilometer zu sehen als in seinen ersten 60 Jahren. So charmant die Patina eines halben Jahrhunderts auch sein mag, muss ein solches Auto seinem ursprünglichen Zweck, dem Fahren, wieder zugeführt werden. Zudem nagte der Zahn der Zeit etwas zu stark an diesem Roadster, sodass eine leichte technische Auffrischung hier leider keine Option darstellt. Um die Restaurierung jedoch in Würde zu starten und dem ersten Leben dieses 356 den verdienten Respekt zu erweisen haben wir gemeinsam mit unserem Fotografen Roman Rätzke dieses Barnfind-Shooting inszeniert um so fotografisch die tolle Patina dieser Zeitkapsel für immer zu konservieren.

Zurück an’s Tageslicht: so oder so ähnlich muss es ausgesehen haben als auf den matten Lack des Roadsters 2014 nach 45 Jahren erstmalig wieder in San Jose das kalifornische Sonnenlicht fiel.

Zurück in Deutschland beginnt nun das zweite Leben dieses 59er Roadsters. Die gesamte Restaurierung und den Weg zurück auf die Straße werden wir in unserem Blog in Bild und Text ausführlich begleiten. Angesetzt ist ein Zeitfenster von rund achtzehn Monaten in denen der Wagen zunächst bis auf die Rohkarosse zerlegt, dann karosseriert, in seiner Originalfarbe Elfenbein lackiert und anschließend wieder montiert wird. Glücklicherweise ist der Roadster auch nach 60 Jahren noch so gut wie komplett, was uns ermöglicht viele Originalteile zu überarbeiten um diese wieder zu verwenden. So umfangreich restauriert ist der B T5 Roadster gut gewappnet für die nächsten 60 Jahre – in denen er hoffentlich nicht wieder jahrzehntelang vergessen wird und vielleicht auch etwas weniger Patina sammelt.

Schlüssel rum und los oder alles nur fake? Manche Geschichten sind zu schön um wahr zu sein, traue deshalb niemals einem Barnfind – oder einem Foto.

Fotos von Roman Rätzke.